Gerichtsurteil

Türkei weist neun ausländische Christen aus

In der Türkei wurden neun ausländische Christen ausgewiesen.
Das türkische Verfassungsgericht hat die Ausweisung von neun ausländischen Christen bestätigt, die der «missionarischen Aktivitäten» beschuldigt werden. Sie werden als «Sicherheitsrisiko» bezeichnet – und das ausgerechnet in einem biblischen Land.

Die Türkei ist ein ausgesprochen biblisches Land. Die christliche Geschichte der Türkei ist reichhaltig: Die sieben Sendschreiben aus der Offenbarung wurden alle an Gemeinden im Land des Bosporus gesandt. Noch heute feiern wir am 6. Dezember den St. Niklaus-Tag – wo er gewirkt hat? In der Türkei.

Auch wird davon ausgegangen, dass die Arche Noah in der heutigen Türkei gestrandet ist, nach ihr wird mit neuer Technologie gesucht. Regelmässig wird in der Türkei eine Konferenz durchgeführt, auf der auch bereits Timo Roller gesprochen hat, bei der neue Erkenntnisse zum Verblieb der Arche dokumentiert werden.

Dennoch wird das Christentum von der türkischen Regierung marginalisiert.

«N-82» wird aktiv

Die neun ausgewiesenen Christen hielten sich legal im Land auf. Dennoch entschied das Gericht, dass die Anwendung des umstrittenen Einwanderungsgesetzes «N-82» keine Verletzung ihrer Rechte darstelle. Die Mehrheit der Richter verwies auf den weiten Ermessensspielraum der Behörden in Fragen der Einwanderung und Grenzkontrolle.

Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die Betroffenen bei der Ausübung ihrer religiösen Überzeugungen behindert oder diskriminiert worden seien. «Tatsächlich haben sich die Beschwerdeführer nicht darüber beklagt, dass sie während ihres Aufenthalts in der Türkei bei der Ausübung ihrer religiösen Überzeugungen auf Hindernisse gestoßen seien», heisst es in dem Urteil.

Erstmals kollektive Entscheidung in «N-82»-Fällen

Die Entscheidung stelle einen wichtigen Moment in der türkischen Justizgeschichte dar, da es sich um die erste kollektive Entscheidung in mehreren «N-82»-Fällen handele, betonte die Menschenrechtsorganisation «ADF International».

In einer Erklärung wies die Organisation darauf hin, dass das Gericht in der Vergangenheit einstimmig gegen ausländische Christen entschieden habe, während in diesem Fall zum ersten Mal unterschiedliche Meinungen der Richter zu Tage getreten seien.

Abweichende Meinung des Gerichtspräsidenten

Der Präsident des Verfassungsgerichts, Zühtü Arslan, äusserte eine abweichende Meinung und argumentierte, dass es keine Beweise dafür gebe, dass die Aktivitäten der Beschwerdeführer die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdeten. «Es gibt keine konkreten Beweise im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren, die darauf hindeuten, dass die Aktivitäten der Beschwerdeführer eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit darstellen», sagte Arslan.

Er widersprach der Mehrheitsmeinung, wonach die Religionsfreiheit der Beschwerdeführer nicht verletzt worden sei.

«Klare Rechtsverletzung!»

Seit 2018 seien rund 185 ausländische protestantische Geistliche aus der Türkei ausgewiesen oder mit einem Einreiseverbot belegt worden, oft ohne klare Begründung oder Einsicht in die gegen sie verwendeten Geheimdienstberichte, so ADF International.

«Die diskriminierende Verfolgung christlicher Geistlicher in der Türkei, die alle seit vielen Jahren friedlich in der Türkei leben, stellt eine klare Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der internationalen Pakte dar, denen die Türkei beigetreten ist», sagte Kelsey Zorzi, Mitarbeiterin von «ADF International».

Wachsende Herausforderungen für religiöse Minderheiten

Die Entscheidung unterstreicht den besorgniserregenden Trend in der Türkei, wo Nationalismus und Islamisierung wachsende Herausforderungen für religiöse Minderheiten darstellen – insbesondere für die christliche Gemeinschaft, die etwa 170'000 Mitglieder in einer mehrheitlich muslimischen Bevölkerung von 85 Millionen Menschen zählt.

Die Türkei ist Vertragspartei des Vertrags von Lausanne, der Juden, orthodoxe Griechen und Armenier, nicht aber Protestanten anerkennt. Orhan Kemal Cengiz, einer der Anwälte der Kläger, wies auf die Widersprüche in der Mehrheitsmeinung hin und kritisierte den Mangel an Beweisen für die Ausweisung. «Die Meinung des Gerichts, wie sie von den abweichenden Richtern beschrieben wird, ist voller Widersprüche», sagte Cengiz. «Trotz klarer Beweise, dass diese Ausländer wegen ihrer angeblichen missionarischen Aktivitäten ausgewiesen wurden, konnte die Mehrheit des Gerichts keine Verletzung der Religionsfreiheit erkennen.»

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Datum: 25.06.2024
Autor: Daniel Gerber / Anugrah Kumar
Quelle: Livenet / Christian Today

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