«Der Heilige Geist liess mein Leben rückwärts laufen»
Mein Vater war Unternehmer. Mir war zugedacht, die von ihm in der sechsten Generation geführte Firma zu übernehmen. Bewusst war mir das lange nicht, doch prägte es meine Erziehung. Als ich achtjährig war, starb meine Mutter durch einen Unfall und zwei Jahre später meine Patin, die anstelle der Mutter in unsere Familie gekommen war und zu der ich eine enge emotionale Bindung hatte.
Im Schmerz allein
Wie hätte ich das als Kind verarbeiten können! Ich blieb mit meinem Schmerz allein, merkte, dass ich tapfer sein musste. Denn mein Vater war mit dem eigenen Schmerz und der Firma beschäftigt. Bei mir blieb, was weh tat, tief in der Seele versenkt und abgekapselt. Erst in den letzten Jahren habe ich, ausgelöst durch ein vergebliches Ringen um meine erste Ehe, nach der Erfahrung von Trennung und Scheidung, die entsprechenden Empfindungen zugelassen. Trauer, Wut, Angst, Verlassenheits- und Einsamkeitsgefühle konnten richtig aufbrechen und in Gottes Gegenwart der Heilung zugeführt werden. Ich lernte, meine bisherige Frömmigkeit abzulegen und ehrlich dazu zu stehen, dass ich gar nicht einverstanden war mit dem, was das Leben mit mir machte. Doch war ich entschlossen, da durchzugehen und nicht aufzugeben.
Das Vater-Herz Gottes
In der „Schule für Heilung“ (SFH) im Gwatt bei Thun habe ich während dieses inneren Zerbruchs barmherzige Hilfe erlebt. Vieles kam an die Oberfläche. Ich weinte lange und oft, liess meinen Gefühlen auf Spaziergängen im Wald freien Lauf. In einem langen Prozess konnte ich die seelischen Verletzungen insbesondere aus meiner Kindheit ansehen, aufarbeiten und die Trauer über die letzten Jahrzehnte bewältigen. Ich habe in der SFH das Vater-Herz Gottes und das Glück, in seiner Nähe zu sein, erlebt. Die Liebe Gottes hatte ich viele Jahre im Kopf erkannt, aber nie im Herzen gespürt. Beim Hinhalten meiner Lebenswunden habe ich Gott mit seiner tröstenden und heilenden Kraft immer wieder persönlich erleben dürfen. Ich konnte anderen und mir selber für mein Versagen vergeben. Zu meiner Überraschung erlebte ich keine Verurteilung in meinem Umfeld.
In alle Winkel
Ein Gebet hat manches in Bewegung gebracht. Ich bat Gott, dass sein Heiliger Geist meinen Geist berühre. Ich hatte nämlich den Eindruck, er werde von meiner Seele fest umschlossen und fast erstickt. Darauf betete ich auch immer wieder, dass Gottes Geist wie Kriech-Öl durch mein Leben fliessen, allen Raum in mir ausfüllen und mich in alle Wahrheit führen soll. Ich wusste, die Wahrheit über Gott und mich macht mich frei. Wenn der Heilige Geist in die Winkel dringt, kommen immer wieder Dinge zum Vorschein. So kann er seine Finger auf wunde oder verwundete Punkte in meinem Leben legen. Dieser Prozess wird weitergehen – immer feiner, wohl bis an mein Lebensende.
Versöhnung mit der Tochter
An den Tagen der Heilung 2010 konnte ich Versöhnung mit einer meiner Töchter erleben. Weil ich mit einem „Waisenherzen“ aufgewachsen war, blieb ich ihr (und auch den anderen drei Töchtern) in der Erziehung und in der Begegnung manches schuldig. Sie konnte mir vergeben, nachdem ich ihren Schmerz anerkannt und sie in die Arme genommen hatte.
Im Rückwärts-Film
Nachdem ich viel von Gottes heilender Liebe in mich aufgenommen hatte, empfand ich an einem SFH-Wochenende, dass der Heilige Geist mich besonders berühren wollte. Während der Anbetung führte er mich wie in einem Film durch mein Leben hindurch. Er zeigte mir viele Verletzungen und bestätigte mir, dass er diese bereits geheilt hatte. Eine unglaubliche Erfahrung. Wie er mir die verschiedenen Lebensphasen zeigte, fragte ich immer wieder: Was willst du denn heute heilen?
Der „Film“ lief zur Geburt zurück. Da kam ein Wort, welches mich tief ins Herz traf: “…Du wurdest nicht aus Liebe gezeugt. Du wurdest gezeugt, um als Stammhalter das Lebenswerk deiner Vorfahren weiter zu führen.“ Ich spürte tiefen Schmerz, grosse Enttäuschung und dann überwältigende Wut in mir hochkommen. Sie übertrafen alles, was ich bis anhin an Gefühlsausbrüchen bei mir erlebt hatte. Ich fiel wie ein Stein zu Boden und weinte hemmungslos. Dabei wurde eine tiefe Blockade gelöst. Einige beteten für mich.
Befreit von der Fixierung
Wie hatte das geschehen können? Ich war ein gewünschtes, lang ersehntes Kind. Meine Eltern und Geschwister (drei ältere Schwestern) hatten sich über die Ankunft des Stammhalters gefreut. Doch offfenbar ist es möglich, ein Leben schon bei der Zeugung zu instrumentalisieren. Der aufgebrochene Schmerz war mit der Heftigkeit einer Missbrauchsgeschichte vergleichbar. Mir wurde klar, dass ich die Tatsache zwar gewusst, doch nie den Grad der Verletzung und Fixierung, die dadurch verursacht worden waren, hatte ermessen können.
Seit diesem Tag spüre ich eine tiefere Freude. Ich habe die Freiheit, meinem Leben eine neue Richtung zu geben. Wir wollen in Thun in diesem Jahr einen Raum für heilendes Gebet eröffnen und später andere unterstützen, die einen solchen Raum in ihrer Region aufbauen wollen.
Hinweis «Tage der Heilung»:
An den «Tagen der Heilung», die über Pfingsten in Thun stattfinden, spricht der Gründer und Leiter der überkonfessionellen und internationalen Bewegung für Heilungsräume Cal Pierce. Mehr Infos bei «Schule für Heilung».
Datum: 04.05.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch