Offener Brief an Andy Egli

Andy Egli

Lieber Andy

"Hartes Brot für Andy Egli bei Mannheim" titelte die "NZZ am Sonntag" im April. Dieser Artikel und die nahende Fussball-WM sind der Grund, warum ich dir nach Jahrzehnten wieder einmal schreibe. Erinnerst du dich? Drei Jahre "spielten" wir zusammen, ich als junger Lehrer, du als mein aufgeweckter Schüler. Du warst ein intelligenter, fröhlicher Bursche, geprägt von einer vorbildlichen Kinderstube. Am besten erinnerst du dich bestimmt an unsere grossen Fussballderbys. Dank deinem Kampfgeist und den technischen Finessen deines Freundes Mario haben wir auch Teams aus höheren Klassen mal für mal besiegt. Als ich euch nach den Berufswünschen fragte, sagtest du spontan "Fussballprofi".

Du gehörtest zu meinem Gitarrenchor. Zusammen sind wir bei Pfarrer Rüegg in der evangelischen Kirche aufgetreten. Keiner sang inbrünstiger als du: "Lobet und preiset ihr Völker den Herrn!" Später, als ich Chefredaktor und du bei den Grasshoppers ein junger Star warst, konnte ich dich als meinen ersten Kolumnisten gewinnen.

Schlüsselspieler bei GC, Xamax, Servette oder Borussia Dortmund, vielfacher Nationalspieler, dann folgerichtig ins Trainerbusiness gewechselt und nun beim SV Waldhof Mannheim: Du bist ein einzigartiges Beispiel dafür, was man mit Begeisterung, Willensstärke und Disziplin erreichen kann. Du hättest als Trainer zum grossen GC wechseln können und bist beim Krisen geschüttelten Luzern geblieben: Du läufst nicht einfach davon, wenn die Probleme wachsen. Du suchst die besondere Herausforderung, weil du daran wachsen willst. Wie könnten gerade Leute aus frommen Kreisen von dir lernen! Auch jetzt in Mannheim isst du "hartes Brot": Ein Verein, der vor allem von der Nostalgie lebt (da spielten einst ja Herberger, Rahn und Kohler), der in argen Finanznöten steckt und Jahr für Jahr die besten Spieler abgibt. Immerhin hast du frühzeitig den Ligaerhalt geschafft. Die Spieler mögen dich, weil du ihnen viel Vertrauen schenkst. Durch deine Zugänglichkeit hast du bei den Fans viele Sympathien gewonnen. Manche spötteln zwar über deinen "Umweltfimmel", weil du lieber mit Bahn und Tram fährst und den Mercedes verschmähst, den dir der Präsident schmackhaft machen wollte. Doch für dich muss Fussball auch einen "gesellschaftlichen Nutzwert" haben. Muss der Trainer ein glaubwürdiges Vorbild sein. Ich staune, wie du das lebst, was du sagst und forderst!

Als ich kürzlich mit deiner Frau telefonierte, wurde mir klar, wie wichtig dir die Familie ist. In einem Interview sagst du: "Unsere vier Kinder sind meine grösste Investition in die Zukunft." Du seist eigentlich mit den Zehn Geboten aufgewachsen, erklärst du an anderer Stelle. Du wollest sie weiter beherzigen und auch an deine Kinder weitergeben. Eine erstklassige Investition in die Zukunft deiner Kinder! Was mich in diesem Zusammenhang interessiert: Was investierst du in deine persönliche Zukunft, abgesehen von deiner beruflichen Leidenschaft? Das wichtigste Spiel findet ja nicht im Stadion, sondern im Leben statt. Ich habe in meinem Leben oftmals "hartes Brot" gegessen, bis ich daran fast erstickt wäre. Bis mir bewusst wurde, dass Gott das schenkt, was kein Pokal und keine Fans bieten können: glückliches und hoffnungsvolles Leben. Jesus selbst sagt von sich: "Ich bin das Brot des Lebens!" Ich habe ihn deshalb zum Trainer meines Lebens gewählt. Seine Ratschläge helfen mir, weniger ins Abseits zu laufen. Meine Zukunftsplanung gelassener zu gestalten. Seine Liebe hilft mir, auch Menschen zu lieben, die weniger liebenswert sind. Mit diesem "Brot des Lebens" verdaue ich auch das "harte Brot" des Alltags besser. Ich wünsche dir bei deinem "harten Brot" in Mannheim die Hilfe und die Kraft dieses Trainers!

Wenn ich meinem himmlischen Trainer vertraue, wird er mich immer wieder an den richtigen Platz schicken. Ob dieser Platz für dich einst bei Bayern München, deinem geheimen Traum, sein wird? Ich traue dir noch manches zu, lieber Andy! Doch entscheidend ist ja nicht zuerst, dass du der erfolgreichste Trainer bist, sondern dass du den besten aller Trainer hast. Dann wird deine Karriere optimal gelingen - nicht nur die sportliche.

Nun wünsche ich dir eine atemberaubende Fussball-WM! Für die Zukunft viel Erfolg im Stadion - und Gottes Segen dir und deiner Familie!

Mit herzlichen Grüssen

Andrea Vonlanthen

Leidenschaftlicher Fussballprofi und wacher Zeitgenosse: Andy Egli, 44, verheiratet mit Silvana, vier Kinder: Ramon (19), Riana (17), Rebecca (15) und Roxana (11), wohnhaft
in Bern. Spielte bei Grasshoppers Zürich, Xamax Neuenburg, Servette Genf und Borussia Dortmund, 76-facher Nationalspieler. War erster Präsident der Schweizer Fussballer-Gewerkschaft "Profoot". Trainer in Thun, Luzern und seit November 2001 beim SV Waldhof Mannheim.

Datum: 01.05.2002
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: Chrischona Magazin

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