Die Autoren im Umkreis der "Arbeitsstelle für Religionswissenschaft" an der Universität Saarbrücken unter Leitung des Theologen Karl-Heinz Ohlig gehen von bereits länger diskutierten Unstimmigkeiten und Lücken in der gängigen Darstellung aus. So wurden die einschlägigen "Quellen" erst 200 Jahre nach den angeblichen Ereignissen verfasst. Diese haben laut Ohlig einen legendarischen Charakter und werden weder durch zeitgenössische Zeugnisse noch durch Realien gestützt. Bereits vor fünf Jahren legte ein unter dem Pseudonym "Christoph Luxenberg" publizierender Islamwissenschaftler ein vielbeachtetes Buch vor, laut dem der Koran in einem arabisch-syroaramäischen Sprachumfeld entstanden ist und viele bisher unverständliche Verse demzufolge völlig neu gedeutet werden müssen. Die jetzt in elf Aufsätzen auf 400 Buchseiten vorgelegten Forschungsergebnisse knüpfen daran an und zeichnen ein aufregend neues Bild. Demnach stand am Beginn der Ausbreitung des arabischen Reiches ein Sieg des byzantinischen Kaisers Herakleios über das persische Heer, der zur Selbstherrschaft der Araber führte. Diese breitete sich nicht von Süd (Mekka und Medina) nach Nord aus, sondern von Ost (Damaskus) nach West. Im arabischen Reich kam eine frühe Form des Christentums zum Zuge, die die Lehre der Konzilien eines dreifaltigen Gottes nicht annahm und - auch in Opposition zu Byzanz - stärker jüdisch-alttestamentliche Traditionslininen aufnahm. Jesus wurde in dieser Kirche besonders als "Diener/Knecht Gottes" verkündet und nicht als "Sohn" oder "Pantokrator". Einen zentralen Stellenwert hat in dieser Argumentation Luxenbergs neue Deutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu Jerusalem, der bisher als frühester erhaltener islamischer Sakralbau galt. Der Text, eine theologische Lehraussage des Erbauers Abd al-Malik, bezieht sich demnach auf "Jesus, den Sohn Marias" (Isa bn Maryam). Die berühmte Formel "muhammad(un abd(u) (a)llah(i) wa-rasuluh(u)" sei nicht zu übersetzen mit "Mohammed (ist) der Knecht Gottes und sein Gesandter", sondern mit "Zu loben ist (gelobt sei) der Knecht Gottes und sein Gesandter". "Muhammad" wäre demnach im ursprünglichen Gebrauch kein Eigenname, sondern eine Verbform. Entsprechend ist das Wort nach Analysen des Numismatikers und Orientalisten auch auf den Münzen Abd al-Maliks zu verstehen. Erst 100 Jahre später sei die Wendung als Name des "Propheten der Araber" uminterpretiert worden. Im Koran findet sich der Terminus "Muhammad" nur 4 Mal (zum Vergleich: Moses 136 Mal, Jesus 24 Mal und Maria 34 Mal). Folgt man diesen Deutungen, entwickelte sich der Islam sozusagen aus einer christlichen Häresie, wie es bereits der um 750 gestorbene Kirchenlehrer Johannes von Damaskus darstellte. Für muslimische Ohren dürfte das alles unerhört klingen, und es ist sicher keine Koketterie, dass Luxenberg und ein weiterer Autor ihre Identität durch ein Pseudonym schützen. Der christliche Islamexperte Christian W. Troll hält die Autoren und ihre Ergebnisse jedenfalls für seriös und weiterführend; die Zunft werde sich damit auseinandersetzen müssen. Herausgeber Ohlig, weist in seinem Vorwort darauf hin, dass sich die verschiedenen Beiträge des Bandes "nicht als Entwurf eines schon fertigen Konzepts" verstehen. Unterschiede in den Darstellungen sind nicht harmonisiert. Auf Dauer, gibt er sich zuversichtlich, liessen sich Fakten - historische Quellen und philologische Erkenntnisse - nicht übergehen oder weginterpretieren. Hinweis: Das Karl-Heinz Ohlig und Gerd R. Puin herausgegebene Buch "Die dunklen Anfänge" ist im Berliner Verlag Hans Schiler erschienen.. Autor: Norbert ZonkerAlles neu deuten?
Muhammad kein Eigenname
Entwicklung aus christlicher Häresie
Datum: 20.12.2005
Quelle: Kipa