Irak: scharfe Kritik am Konversionsgesetz
Die kleineren Volksgruppen wie Assyrer, Chaldäer, Aramäer, Jesiden, Kakai, Mandäer oder Bahai gerieten nun noch mehr in Bedrängnis, sagte etwa der Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker (Göttingen), Kamal Sido, gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Der Druck sei durch die Terrororganisation «Islamischer Staat» (IS) sehr hoch, die insbesondere Nichtmuslime und Nicht-Sunniten massenweise ermorde, vertreibe und vergewaltige. Gleichzeitig diskriminierten auch die «sogenannten moderaten Kräfte» Nichtmuslime im Alltag. Sie benötigen laut Sido deswegen dringend mehr Schutz und Unterstützung.
Patriarch: «Höchst diskriminierend»
Zuvor hatte der Patriarch der chaldäisch-katholischen Kirche, Louis Raphael I. Sako (Bagdad), das Gesetz gegenüber «AsiaNews» als «höchst diskriminierend» bezeichnet. Es bedrohe «die Einheit der Nation, das soziale Gleichgewicht, den religiösen Pluralismus und das Prinzip der Akzeptanz anderer in ihrer Verschiedenheit», so der Patriarch.
verstosse ausserdem gegen die Religionsfreiheit und die Verfassung des Landes. In ihr werde der Irak als eine Nation bezeichnet, die sich aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen, Religionen sowie Denominationen zusammensetze. Ausserdem sei der Schutz vor politischem oder religiösem Zwang in der Verfassung garantiert. Laut dem vatikanischen Pressedienst Fides demonstrierten am 10. November Christen und Vertreter anderer nichtmuslimischer Gemeinden in Bagdad gegen das Gesetz. Patriarch Sako kündigte dort erneut an, dass er sich an internationale Menschenrechtsgerichte wenden werde, sollte das Parlament die Bestimmungen nicht abwandeln.
Recht, die eigene Religion zu wählen
Der irakische Bischof Rabban al-Qas hat das Scheitern einer Reform des Konversionsgesetzes ebenfalls beklagt. Minderjährigen Christen das Recht auf ihre Religionszugehörigkeit zu verwehren, raube ihnen den Wunsch nach Freiheit und treibe noch mehr Christen aus dem Land, sagte der Bischof gegenüber dem Pressedienst AsiaNews.
Der Reformentwurf hatte vorgeschlagen, das Gesetz so zu verändern, dass Kinder ihre angestammte Religion bis zur Volljährigkeit behalten und dann das Recht haben, ihre Religion selbst zu wählen. Die Abgeordneten in Bagdad lehnten die Änderung Ende Oktober mit 137 Nein-Stimmen gegen 51 Ja-Stimmen ab. Bischof al-Qas sagte, dieser Ausgang sei «auf Druck von fanatischen Gruppen und extremistischen Bewegungen» zustande gekommen.
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Datum: 16.11.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / idea / kath.ch