Tagebuch eines jungen Mannes

Dai Schiess: Leben trotz Krebs

Am 21. Januar 2014 erhielt Dai Schiess aus Buochs (Nidwalden/Schweiz) das gefürchtete Urteil: Krebs. Der erst 33-jährige Pastor einer evangelischen Freikirche leidet unter einem seltenen und aggressiven Gallengangkarzinom mit grossen Metastasen auf der Leber.
Dai Schiess hat trotz Krebs die Freude am Leben nicht verloren.
Dai Schiess

Medizinisch gesehen besteht für Dai Schiess praktisch keine Chance auf Heilung. Seither durchlebt er die Höhen und Tiefen, die die heimtückische Krankheit mit sich bringt: Schmerzen, Ungewissheiten, Momente der Hoffnung, Tränen und Therapien, die wahre Rosskuren sind.

Fragen über Leben und Sterben plötzlich ganz nah

Sofort nach dem niederschmetternden Befund beschliesst er, seine Freunde und Bekannten mit regelmässigen E-Mails zu informieren. In früheren Jahren hat Dai Schiess die existentiellen Fragen über Leben und Sterben, Krankheit, Leid und allzu frühe Vergänglichkeit des irdischen Daseins in seinen Predigten thematisiert. Jetzt sind sie mit einem Schlag sein persönliches Schicksal geworden.

«Das Leben ist so zerbrechlich – bis zum Verzweifeln. Man bekommt eines Tages einen niederschmetternden Bericht – und dann wird alles anders. Es kann so schnell gehen! Plötzlich ist nichts mehr wie zuvor, der Abschied von dieser Welt scheint nahe.»

Fragen und Zweifel

Gegenüber Gott habe er nicht Anklage erhoben. Er erlebe Gott als tragend, merke, dass er da ist, selbst in den schwierigsten Momenten. Die Fragen lassen aber nicht los.

«Zusammen mit meiner Frau haben wir Gott sehr viele Fragen gestellt. Wir sind mit Fragen und Zweifeln unterwegs. Die Spannung zwischen dem Reich Gottes und der gefallenen Welt, in der wir leben, ist gross. Gott, wann hat das ein Ende? So diskutieren wir auch viel und offen über Glaube, Krankheit und Sterben.»

Von seiner Familie, Freunden und Bekannten spürt er Unterstützung und Solidarität. «Es kommt vor, in Momenten, in denen ich besonders niedergedrückt bin, dass jemand ein Kärtchen schickt oder anruft. Es ist dann so, wie wenn Jesus persönlich da wäre. Leute, die bisher Gott gar nicht so suchten, beginnen zu beten. Im Thurgau beten junge Männer, mit denen ich keinen Kontakt mehr hatte, regelmässig für mich. Die christliche Gemeinde ist ein cooles Gebilde. Man gehört zusammen, geht zusammen vorwärts, leidet miteinander.»

Physische Schmerzen

Mit den Kräften geht es bei ihm auf und ab. Es gibt Tage, an denen es Dai Schiess recht gut geht und er auch etwas arbeiten kann. Dann plötzlich sind sie wieder da, die Tage mit qualvollen Schmerzen im Bauch, in den Gelenken und Muskeln.

«Mit dem Schmerz ist es schwierig. Hin und wieder stehe ich am Morgen mit grossen Schmerzen und ohne Perspektive auf. Bei Schmerzen nehmen auch Hoffnung und Zuversicht ab. Es ist schwierig, optimistisch zu bleiben. Was heisst da vertrauen und unerschütterlich hoffen?» Hoffen, was heisst das? Im Juni steht Dai Schiess am Bett einer krebskranken Nachbarin. Berührende Momente: Mit einem einfachen Gebet bringt Dai an ihrem Krankenbett etwas von seiner Glaubenshoffnung zum Ausdruck. Die kosovarische Frau stirbt wenige Tage darauf.

Gottes Wille soll geschehen

«Ich habe mich viel mit der Frage der Heilung beschäftigt. Wir beten auch dafür. Das Wunder einer «Heilung» zu erleben, ist aber nicht das oberste Ziel. Sterben werden wir eines Tages alle. Wichtig ist, dass Gottes Wille geschieht. Wie kann ich im Kranksein noch Seinen Willen leben? Und noch einmal die Frage: Hoffen, was heisst das?

«In der Anbetung Gottes, im Loben und Danken kommt neuer Mut auf. Wenn wir Gott Lieder singen oder wenn wir Bibeltexte – besonders auch die Psalmen – lesen, merken wir etwas von seiner Grösse und von seinem Erbarmen. Es ist das Hineinwachsen in eine tiefere Gottesbeziehung.»

Von Chemo zu Chemo

Seit fast einem Jahr ist Dai Schiess nun mit grosser Ungewissheit unterwegs: Von Arztbesuch zu Arztbesuch, von Untersuchung zu Untersuchung, von Chemo zu Chemo. «In den ständigen Unsicherheiten ist es eine echte Herausforderung, daran festzuhalten, dass Gott mich auch ganz gesund machen kann, wenn er es will», sagt er.

«Es ist ein Auf und Ab, welches wir durchlaufen. Das ist sehr stressig. Unser Gebet ist es, dass Gott uns die Kraft für die nächsten Schritte gibt. Trotz den sehr schwierigen Tagen gelingt es mir und meiner Partnerin immer wieder, unsere Beziehung zu geniessen, über andere Themen zu sprechen und herzhaft zu lachen. Danke, Gott, für diese geschenkten Lichtblicke.»

Träume trotz Ungewissheit

Zukunftspläne lassen sich keine machen. Und doch spricht Dai Schiess auch von Dingen, die er noch erleben möchte.

«Ein paar rechte Bergtouren auf Viertausender, mit meiner Frau zusammen ein Land in der Dritten Welt besuchen und dort Missionsarbeit hautnah erleben, eine eigene Familie gründen.»

Ob sich das jemals realisieren lässt, ist ungewiss. Im Oktober erhielt Dai Schiess weitere Untersuchungsergebnisse: Die Metastasen in der Leber sind nun soweit zurückgegangen, dass die Ärzte sogar eine baldige Operation ins Auge fassen. Der Entscheid darüber soll demnächst fallen. In diesen Tagen darf sich der Patient zumindest über den erstaunlich positiven Verlauf seiner Krankheit freuen.

Dieser Text wurde uns von «Viertelstunde für den Glauben», der Weihnachtszeitung der Schweizerischen Evangelischen Allianz, zur Verfügung gestellt. Die Zeitung kann unter www.viertelstunde.ch bestellt werden. Übrigens: Die «Viertelstunde für den Glauben» eignet sich auch zum Weiterverschenken auf Weihnachten.

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Datum: 28.11.2014
Autor: Thomas Hanimann
Quelle: SEA / viertelstunde für den Glauben

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