Sensible Menschen

«Du bist aber empfindlich!»

Mussten Sie sich schon öfter von Bekannten oder Freunden sagen lassen, dass Sie empfindlich sind? Kaum jemand hört das gern. Denn empfindlich zu sein erscheint den meisten als Schwäche. Und wer möchte schon gerne schwach sein?
Sensibel?

Für Christa Lüling, langjährige Leiterin der christlichen Organisation «Team.F- Neues Leben für Familien» in Deutschland ist es eine Tatsache, dass Menschen unterschiedlich empfindsam sind. Sie weist darauf hin, dass etwa 20 Prozent aller Menschen sogar als hochsensibel gelten. Das dürfe man nicht als blosse Überempfindlichkeit abtun, sondern als eine Eigenschaft, die Menschen angeboren sei und man auch als eine «Gabe Gottes» verstehen solle. Lüling zählt sich selbst zur Gruppe der hochsensiblen Menschen.

Worin aber liegen die Stärken sensibler Menschen? Sie sind zum Beispiel für viele die gesuchten Gesprächspartner, wenn es um handfeste Probleme geht. Denn sie können sich meist gut in die Situation anderer versetzen und ihnen hilfreiche und passende Ratschläge geben.

Der eine so, der andere so

Menschen sind verschieden sensibel. Die einen sehen sich gerne Filme an, in denen Gewalt und viel Action zum Inhalt gehören, anderen ist schon die «Dosis» der Bilder aus den Fernsehnachrichten mehr als genug.

Die einen erleben Streit als «Wettbewerb» um eine gute Lösung oder als notwendigen Boden für Veränderungen, während andere ungleich stärker unter den damit verbundenen Spannungen und der Disharmonie leiden.

Die einen hören sich Probleme anderer an und können sich danach problemlos mit anderen Dingen beschäftigen, andere brauchen länger, um das Gehörte zu verdauen und sozusagen innerlich abzulegen.

«Wie durch einen Verstärker»

Christa Lüling weist darauf hin, dass hochsensible Menschen die Welt anders, vor allem intensiver erleben: «Sie nehmen die Impulse ihrer Umwelt wie durch einen Verstärker wahr. Es fällt ihnen schwer, unwichtige von wichtigen Informationen zu unterscheiden und sie herauszufiltern. So erhalten sie ständig neue Informationen, die sie verarbeiten und verkraften müssen. Darüber hinaus nehmen sie auch manche Informationen wahr, die anderen völlig entgehen: Sie können die Stimmung einer Gruppe oder die innere Befindlichkeit einer Person erfassen, ohne dass darüber gesprochen wurde.»

So hat diese Form der empfindsamen Wahrnehmung auch ihren Preis, so Lüling. «Da hochsensible Menschen täglich viel mehr Informationen verarbeiten müssen als andere Menschen, sind sie oft ab einem bestimmten Zeitpunkt plötzlich erschöpft und überreizt. Sie erreichen ihre Grenze der Belastbarkeit oft früher als andere Menschen.»

Zu sich selbst stehen

Ganz entscheidend sei, so betont die Münchner Logotherapeutin Peggy Paquet, dass man sich mit dieser besonderen Empfindsamkeit «uneingeschränkt» annehme, man «braucht einen barmherzigen Blick auf sich selbst.» Das bedeute, dass man mit seiner eigenen Empfindsamkeit sowohl bewusster als auch selbst-bewusster umgehe, «auch wenn andere dafür nicht immer Verständnis haben oder sich wundern.»

Auf Grenzen achten

Ganz gleich, wie Sie sich selbst einstufen; ob Sie sich zu den weniger sensiblen, den sensiblen oder hochsensiblen Menschen zählen, entscheidend ist, dass Sie sich kennen und wissen, wo ihre persönlichen Grenzen liegen.

Seien sie ehrlich mit sich und meiden Sie Situationen, die Sie zu stark beanspruchen und Sie viel Kraft kosten: Seien es Filme oder ein Tempo bei Erledigungen und Freizeit, das Ihnen nicht entspricht, weil es Sie überfordert.

Bücher zum Thema:
Reinhold Ruthe:Gefühle. Wie gehen wir mit unseren Empfindungen um? (CD/Hörbuch)
Matthias Hipler: Gefühle sind veränderbar


Datum: 11.10.2011
Autor: Norbert Abt
Quelle: Jesus.ch

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